„Zoomen“ ist für viele nur eine Bequemlichkeit: Ist das Motiv weit weg, kann ich es „ranzoomen“.
Naja, für mich als Fotografen jetzt nicht wirklich die „richtige“ Herangehensweise.
„Zoomen“ ist für mich viel mehr Gestaltungsmittel. Vorher aber ein paar allgemeine Worte:
Der Begriff „Zoom“ kommt von einer Objektiv-Technik die es noch gar nicht so lange gibt. Früher waren Objektive immer Festbrennweiten.
Eine Festbrennweite kann nicht zoomen, sondern hat einen fixen Bildwinkel. Möchte man mehr drauf haben, muss man sich vom Motiv weiter weg entfernen und andersrum. Dann kamen die Hersteller der Kameras auf die Idee mehrere Brennweiten in ein Objektiv zu bauen, damit man zwischen den Brennweiten ohne Linsen-Wechsel „zoomen“ kann. Sehr praktische Erfindung. So hatte man plötzlich mehrere Linsen in einer einzigen Linse vereint.
Die unterschiedlichen Brennweiten haben aber auch eine andere Bildwirkung. Sie sind also mehr als ein bloßer Bildauschnitts-veränderer.
Der Unterschied im Schnellverfahren:
Hier wurde der Kopf immer gleich groß gehalten, aber der Abstand mit zunehmender Brennweite auch zunehmend verändert.
Bei 16mm stand die Fotograf*in direkt davor dem jungen Mensch, bei 200mm ziemlich weit weg. Vielleicht 3 Meter weit.
Die Brennweiten werden grob in drei Gruppen unterteilt*:
- Weitwinkel-Brennweite (bis 35mm)
- Normal-Brennweite (zwischen 35mm und 70mm)
- Tele-Brennweite (ab 70mm)
*Angaben beziehen sich auf APS-C Sensoren der Einsteigerkameras wie der Nikon D5300, D3200, Canon 650D, Sony Alpha 65, Sony A6000. Für Vollformat/Kleinbildkamerasensoren einfach die Zahlen durch 1,5 teilen. Und die Grenzbereiche sind für manche Fotograf*innen etwas anders: Manche sehen ein 30mm schon nicht mehr als Weitwinkel an, manche finden, dass der Tele-Bereich erst ab 100mm anfängt. Die Zahlen sind also eher Anhaltspunkte.
Im Workshop war mir wichtig, dass Ihr ab sofort darauf achtet welche Brennweite Ihr nutzt. Bewusst die Bildwirkung der Linse einsetzen. Nicht einfach aus Bequemlichkeit „zoomen“ und fertig.
Ein englisches Video zeigt nochmal gut, welchen Einfluss die Brennweite auf das Bild hat (man muss nicht wirklich verstehen was gesagt wird, es ist fast schon selbsterklärend):
Vom großen Beschützer der „Hütte“, zum kleinen unbedeutenden Beiwerk vor dem Haus: Der Hund bekommt jeweils eine andere Rolle. Alleine die Brennweite schafft es, die Rolle zu bestimmen.
Eine kleine Brennweite vergrößert optisch den Vordergrund und lässt eine große Tiefe im Bild entstehen. Eine große Brennweite drückt das Foto platt und lässt den Hintergrund und den Vordergrund aufeinander kleben.
Desweiteren kann zur Brennweite gesagt werden:
- Umso länger die Brennweite, umso kürzere Verschlusszeit ist nötig. Das ist wie beim Eierlaufen: Umso länger der Löffel ist, umso wackeliger wird die Angelegenheit.
- Festbrennweiten sind meist leichter und hin und wieder günstiger. Aber so gut wie immer lichtstärker. Der Mythos dass Festbrennweiten eine bessere Qualität haben, kann aber nicht bestätigt werden. Es gibt durchaus Zoom-Linsen die dermaßen knackscharf sind, dass sie Festbrennweiten auch übertrumpfen (siehe Sigma 18-35mm f1,8 und Nikon 70-200mm f4 VR).
- Umso mehr Brennweite, desto kleiner der Bereich im Bild der scharf wird. Mit einem Weitwinkel ist es kein Problem von vorne bis hinten alles scharf zu bekommen, mit einem Teleobjektiv muss man schon kräftig die Blende schließen.
Welchen Eindruck machen Weitwinkellinsen?
Weitwinkellinsen vermitteln eine Nähe zum Geschehen. Der Betrachter ist mittendrin in der Szenerie. Ganz nah dran:
Die Normalbrennweite vermittelt einen „nahen“ Eindruck, aber ist nicht so aufdringlich:
Die Telelinse vermittelt einen Eindruck des „Beobachters“ aus der Ferne:
Diesen Umstand nutze ich. Gerade auf Hochzeitsfeiern muss ich mir um diesen Umstand bewusst sein. Beim ersten Kuss beispielweise möchte ich nicht so nah, so intim, wirken und nutze daher die Telelinse. Eine Weitwinkelbrennweite würde diese Ruhe, diesen intimen Moment irgendwie „eklig-respektlos-nahe“ wirken lassen.
Fotos vom Schminken sollen unmittelbar, nah dran und „mittendrin“ wirken – aber so ganz nah eklig ins Gesicht möchte ich auch nicht. Daher wähle ich hier leichte Telelinsen für die Detailaufnahmen und für die normalen Aufnahmen schwache Weitwinkel bzw. Normalbrennweiten.
„Hochzeitstorten anschneiden“-Fotos sind dagegen beste Beispiele für Weitwinkelaufnahmen. Hier „geschieht“ etwas, hier gibt es eine „Reportage“ und es ist kein intimer Moment. Daher: Weitwinkel. Bildeindruck: Woah. Ganz nah dabei. Direkt in der Situation. So war es.
Typische Verwendungszwecke von Objektiven:
- Weitwinkelbrennweite:
- Reportage
- Portraits (Musiker wie Rocker, Rapper oder auch Pärchenfotos)
- Hintertorkamera im Fußball
- Gruppenfotos
- Wenn Räume oder Plätze möglichst groß dargestellt werden sollen
- Normalbrennweite
- Reportage, wenn die Gesichter nicht so verzerrt werden sollen (siehe oben die Brennweiten im Schnelldurchlauf)
- Portraits
- Alltagsverwendung
- Telebrennweite
- Wenn man nicht näher ans Motiv kann (im Sport, der Naturfotografie (Löwen sind keine typischen Weitwinkelmotive 😀 ), etc)
- Portraits
- Wenn eine Gemütlichkeit dargestellt werden soll. Telelinsen machen Räume kleiner und damit kuscheliger.
- Naturfotografie
- Vögelfotografie
- Beobachterposition (bei Hochzeiten will ich nicht zu aufdringlich sein)
Fazit: Wenn Ihr Eure Fotografie verbessern wollt, dann probiert mal Festbrennweiten aus, denn diese schulen das Auge ungemein. Einfach mal eine Woche lang nur mit einem Objektiv bzw einer Brennweite Eures Zooms fotografieren und Ihr werdet merken, dass es viel Arbeit ist, ein gutes Foto zu machen. Aber auch Euch besser macht.
Fotos vom Workshop von Anna: