Ganz allgemein: Es gibt ungefähr zwei Arten von Portraits.
- Portraits die den Menschen einfach nur zeigen. Wie ein Passfoto beispielsweise:
- Portraits die (noch mehr) den Charakter des Menschen zeigen:
Viele bekannte Fotografen bevorzugen den ersten Stil. Martin Schöller ist sehr bekannt dafür.
Ich persönlich mag den zweiten Stil viel mehr. Der erste langweilt mich sogar. Warum ich das alles schreibe? Weil es zwei ganz unterschiedliche Ansätze sind. Auf den ersten möchte ich weniger eingehen, weil ich mich da wenig auskenne.
Was macht ein Portrait aus?
Portraits können ganz unterschiedlich ausfallen. Interessant finde ich, dass im schreibenden Journalismus ein „Portrait“ viel einfacher zu definieren ist: Eine Kurzbeschreibung des Menschen. Am allerliebsten sind mir auch in der Fotografie Portraits, die den Charakter des Menschen heraus arbeiten.
Wenn man den Menschen nicht nur anhand seines Gesichtes erkennen kann, sondern auch an seiner Präsenz.
Das zweite Foto, finde ich, zeigt das gut. Anhand des Fotos habe ich einen guten Eindruck bekommen, bzw. bilde ich es mir ein, und würde sagen: Ja, das Foto ist typisch für den Mann. Das obere Foto zeigt das weniger. Hier bin ich mir nicht sicher ob der Mann immer so schaut, oder ob er nur wegen der Kamera einen derartigen Blick hat. Der Blick ist an sich schon relativ neutral. Insofern ist das obere Foto eher eine Abbildung der körperlichen „Hülle“ des Mannes.
Welche Technik soll ich nutzen?
Beliebte Frage. In der Portraitfotografie gibt es aber sehr viel Freiheit. Generell kann ich sagen, dass Weitwinkelobjektive etwas problematisch sind, denn diese verzerren Gesichter ziemlich und das ist nicht so schmeichelhaft.
Einmal mit 18mm (also im Weitwinkel) und einmal mit 55mm (leichter Telebereich).
Das erste Foto also „ohne Zoom“ und nah am Model. Das zweite Foto „reingezoomt“, dafür aber paar Schritte zurück gelaufen
Es kann aber auch richtig cool kommen mit dem Weitwinkel:
Welche Linse für ein Portrait am besten geeignet ist?
Das ist so nicht eindeutig beantwortbar.
Eine Weitwinkellinse ist für Anfänger aber oft etwas schwerer zu „bedienen“, weil es schnell unschmeichelhaft für die Modelle wird. Linsen ab 50mm sind daher einfacher und gerade für den Einstieg gut.
Welche Blende?
Auch hier gilt: Das ist so nicht eindeutig beantwortbar.
Beliebt sind Fotos mit unscharfem Hintergrund und Vordergrund. Dazu braucht es große Blenden (kleine Zahl): Blende 1:1,8 oder Blende 1:2,8 ist beliebt.
Blende: 1:2.0 mit einem 135mm
Aber auch Blende 1:8 und Weitwinkel können cool sein:
Verschlusszeit?
Ja, meistens sind unverwackelte Fotos gewünscht. Daher einfach eine kurze Verschlusszeit wählen.
Faustregel: das doppelte der Brennweite in den Bruch nehmen. Sprich bei 50mm Brennweite eine 100tel Sekunde an Belichtung wählen.
Wenn man ruhig hält, sollte das reichen. Aber lieber kürzer 😉 Ich habe meist mind. eine 320tel Sekunde.
Aber auch „verwackelte“ Fotos können eine eigene Ästhetik haben:
Locationwahl
In den allermeisten Fällen ist es cooler in den Schatten zu gehen, als in die Sonne. Denn in der Sonne kann man fast nur Fotos mit geschlossenen Augen machen, ansonsten sehen sie so zugekneift aus. Im Schatten ist die Ausleuchtung zudem freundlicher, weicher. Ich gehe daher fast immer in den Schatten.
Ein Foto in der prallen Sonne, welches funktioniert hat:
Und eines im Schatten:
Wie bestimmt gut sichtbar ist: Die Ausleuchtung im Gesicht ist relativ gleichmäßig und ohne harte Schatten.
Desweiteren suche ich mir die Locations noch nach Sinn und Zweck des Portraits aus.
Ein Bewerbungsfoto werde ich nicht in einer Industrieanlage schießen, ein Rapper-Foto schon eher. Ein Pärchenfoto eher im Grünen etc.
Vor Ort achte ich insbesondere auf den Hintergrund, sodass dieser ruhig und „aufgeräumt“ wirkt. Das hat den Vorteil, dass das Portrait hervorsticht und nicht durch den Hintergrund abgelenkt wird.
Gerne nehme ich auch Pflanzen in den Vorgrund mit auf. Das lockert und rahmt das Foto:
Kommunikation mit dem Model?
Meine Philosophie ist hier eindeutig: Nehmt dem Model vor der Kamera alle Aufregung und Verantwortung. Soweit wie möglich. Ich versuche eine so aufgelockerte Stimmung wie irgendwie möglich zu schaffen. Dann bleibt das Model natürlich.
Bildkomposition
Probiert ruhig mal mutig die Modelle nicht-bildfüllend abzubilden. Beispielsweise so:
An diesem Bild sieht man auch gut: ein aufgeräumtes Foto bringt Ruhe und Fokus auf das Paar. Mehr als Blätter und Himmel sind nicht zu sehen. Mehr braucht es auch nicht wirklich. Aufgeräumte Fotos wirken oft zeitlos.
Oder so:
Fotos vom Workshop: